Dreidimensionale Fantasie
21. August 2019Wie ist eigentlich das Büro eines Schreinermeisters eingerichtet? Maßgeschneidert natürlich! Das versteht sich von selbst – vom Schreibtisch über die auf den Millimeter genau eingepassten Einbauschränke bis hinauf zur massiven, soliden und naturbelassenen Holzdecke. Und was genau riecht man, wenn man den Fuß in eine Schreinerei setzt? Frisches Holz natürlich, Hobelspäne, Holzleim - ein tiefer Atemzug und man fühlt sich dem Naturmaterial verbunden.
Genauso geht es dem Besucher, wenn er die Tür zur Schreinerei Heußlein in Birkenfeld öffnet. Zuerst steht er in einem rund 50 Quadratmeter großen Raum, in dem Heußleins Mitarbeiter die passgenau fertig gestellten Bauteile - von der Küche über die Wohnzimmerwand bis zur Einrichtung für den Arzt oder Optiker - zur Auslieferung bereitstellen. Links davon, ein, zwei Stufen nach oben, betritt man das „Allerheiligste“, das Büro von Schreinermeister Walter Heußlein. Als Chefbüro bezeichnet der 57-Jährige den rund 25 Quadratmeter großen Raum aber nicht, eher als „Werkstattbüro“ mit direktem Zugang zur Schreinerei, die Vater Werner 1953 gründete und die er 1976 übernahm und seitdem leitet.
Walter Heußlein sieht sich nicht als „Alleinherrscher“, er bevorzugt die Bezeichnung „Teamarbeit“. Und zu seinem engeren Team gehören seine Frau Doris und sein Sohn Thomas. Die Aufgabengebiete der drei Heußleins sind ganz klar festgelegt. „Meine Chefin (damit meint Walter Heußlein seine Frau) ist mein Terminplaner“, lächelt er, weil, seinen umfangreichen Terminkalender führt Doris Heußlein perfekt. Sie behält die Übersicht, denn ihr Mann ist nicht „nur“ Chef der Birkenfelder Schreinerei mit europaweiten Kontakten sondern auch Ehrenpräsident der Handwerkskammer für Unterfranken, Mitglied im Kreistag des Landkreises Main-Spessart und dort auch im Bau-, Jugend- und Wirtschaftsausschuss aktiv. Da mutet es schon als Herausforderung an, immer den kompletten Überblick zu behalten und alle Termine so zu koordinieren, dass sie für den 57-Jährigen auch reibungslos funktionieren.
Neben all seinen Ämtern ist Heußlein in seiner eigenen Schreinerei zuständig für die Akquirierung der Aufträge. Sein Arbeitstag beginnt normalerweise um 6.30 Uhr und dauert nicht selten bis 20 Uhr und noch später am Abend. „Ich hab flexible Arbeitszeiten“, zuckt er die Schultern und ein 15-Stunden-Tag ist für ihn keine Seltenheit. Sein Hauptarbeitsplatz ist „vor dieser Kiste hier“, sagt Walter Heußlein und deutet auf seinen PC mit Flachbildschirm, der ihm die neuesten Pläne seiner Aufträge in 3-D-Auflösung zeigt.
Was früher beim Schreiner das Reißbrett war ist heute der Computer, denn der eröffnet dem Handwerker und seinen Kunden die neue Kategorie der dreidimensionalen Fantasie. Früher entstand der Plan in mühevoller Kleinarbeit Strich für Strich auf dem Papier, heute geht alles „relativ“ schnell und einfach per Mausklick am PC.
Heußlein erklärt die Zeitersparnis eines zehn Meter Einbauschrankes, den er plant und kalkuliert. „Früher habe ich eine Stunde gebraucht für die Kalkulation, jetzt ist das in spätestens zehn Minuten erledigt.“ Und das mit Materialbestellliste, genauer Anweisung für den Mitarbeiter, Materialberechnung und allem Drum und Dran. Mitte der 90er Jahre habe der Computer auch in die Schreinerwerkstatt Einzug gehalten, erzählt Heußlein. Seither ermöglichen es ihm entsprechende Software-Programme, jedem Kunden die für ihn perfekte Lösung in 3-D zu bieten. Aber, der Mensch ist im Handwerk durch keinen Computer zu ersetzen. Der persönliche Kontakt ist gerade für Walter Heußlein sehr wichtig. „Wir führen für jeden Kunden einen extra Ordner, sagt er. Viele Kunden gehören fast schon zur Familie, denn die Kundenbindung und -zufriedenheit ist für Heußlein das A und O in seinem Metier.
Einen Auftrag für einen besonderen Kunden lieferte Heußlein in diesem Jahr. Er baute nämlich einen großen Treppen-Komplex für die Empfangshalle des neuen königlichen botanischen Gartens in der schottischen Metropole Edinburgh. Die Wendeltreppen-Konstruktion aus Oregon-Pinie hat er mit trittfesten Platten aus geräucherter Spessarteiche belegt. „Die halten ganz schön was aus“, sagt er. Ein Modell der Treppe steht im Maßstab 1:10 in seinem Büro.
Sein eigenes Büro wird er bald auch anders gestalten, sogar vergrößern, verrät er. „Ich möchte hier anbauen“, erzählt er. Ein neues Chefbüro für die „Chefin“ soll entstehen. Dort soll Doris Heußlein residieren und die Kunden betreuen. Walter Heußlein selbst wird sein Büro „im Hintergrund“ behalten. Aber, er will auch diesen Bereich komplett neu gestalten. „Früher hat man Holz gern mit Farben kombiniert“, erklärt er und zeigt auf seine acht Jahre alten Einbauschränke aus Rüster, die mit einem hellen Grau abgesetzt sind. „Heute setzt man die Akzente mit verschiedenen Hölzern.“ Für seine Büroeinrichtung hat er schon das richtige im Kopf: Ahorn und Räuchereiche stecken ihm jetzt in der Nase. Diese besonderen Hölzer sollen in seinem neuen Büro vorherrschen.